www.impfbrief.de

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01.02.2008

Bundesgesundheitsministerium kritisiert KV Berlin

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kritisiert in einer Pressemeldung vom 20. September die Kassenärztliche Vereinigung Berlin. Es wirft ihr eine verfehlte Informationspolitik darüber vor, wer berechtigt sei, Impfleistungen zu erbringen. Das Ministerium wörtlich:

„Wer Impfleistungen erbringen darf, regelt in Deutschland das ärztliche Berufsrecht. Dieses Berufsrecht ist grundsätzlich Ländersache und von den Ländern weitgehend an die ärztliche Selbstverwaltung delegiert. Diese regelt insbesondere in ihren Weiterbildungsordnungen, welche Ärzte in ihrem Fachgebiet Schutzimpfungen vornehmen dürfen. Folgerichtig können auch nur die Ärztekammern und ggf. Regierungen und Parlamente der Bundesländer diese Impfberechtigungen verändern. Dem Bundesgesundheitsministerium ist dies nicht möglich.“

Weiter heißt es, dass die künftige Richtlinie über Schutzimpfungen keinerlei Einschränkung bei dem Recht, Schutzimpfungen zu Lasten der GKV vorzunehmen, bringen solle. (HTR)

Letzte Änderung: 2008-02-01 09:17:26

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20.02.2008

Kein Hinweis für kausalen Zusammenhang zwischen HPV-Impfung und Todesfällen

Im Sommer bzw. im Herbst 2007 starben eine 17-jährige Frau aus Deutschland und eine 19-jährige Frau aus Österreich an plötzlichem Herzstillstand. Beide waren offenbar gesund und waren zuvor gegen Humane Papillomviren (HPV) geimpft worden. Experten sehen jedoch keinen Anlass die Impfungen auszusetzen.

Eine 17-Jährige Deutsche starb einen Tag nach Impfung mit der zweiten Dosis des HPV-Impfstoffs Gardasil®. Die erste Dosis hatte sie nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ohne Probleme vertragen. Die Obduktion ergab keinen Aufschluss über die Todesursache. Es wurde eine unspezifische, fokal-akzentuierte Thyreoiditis festgestellt, die Anlass zu weiteren Untersuchungen war, deren Ergebnisse noch ausstehen. In einem anderen Fall starb eine 19-jährige Österreicherin drei Wochen nach der HPV-Impfung. Auch hier ist die Todesursache weiterhin ungeklärt und wird noch weiter untersucht. Deutsche wie österreichische Gesundheitsbehörden und Ärzteorganisationen wie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ) und die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) sowie das mit der Sicherheit von Arzneimitteln befasste Paul-Ehrlich-Institut und die europäische Arzneimittelagentur (EMEA) sehen keinen Anlass, von der HPV-Impfung abzuraten.

Hintergrund

In Deutschland und Österreich wurden nach Angaben des Herstellers 2,2 Millionen Impfdosen Gardasil® verkauft, das entspricht bei drei Dosen pro Impfling etwa 700.000 geimpften Personen.
Die beiden beobachteten Fälle entsprechen der statistisch zu erwartenden Häufigkeit. In der Altersgruppe der 15- bis unter 20-Jährigen gab es z.B. im Jahr 2006 in Deutschland laut Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes 58 Todesfälle mit unklarer Ursache, darunter 22 Mädchen bzw. Frauen. Dazu Dr. Ursel Lindlbauer-Eisenach, Kinder– und Jugendärztin aus München, in der Stellungnahme des BVKJ: „Wenn man davon ausgeht, dass jährlich einige Millionen Impfungen bei Mädchen durchgeführt werden, dann ist es bei etwa 60 ungeklärten Todesfällen, die Jahr für Jahr in Deutschland in dieser Altersgruppe auftreten, sehr wahrscheinlich, dass es zu einer zeitlichen Überschneidung zwischen Impfung und SADS-Fall kommen kann. Doch wenn die Zahl der ungeklärten Todesfälle konstant niedrig bleibt, wie kann man dann einen Zusammenhang zur Impfung herstellen?“ Die bundesweite Todesursachenstatistik für das Jahr 2007 werde nach Angaben des Statistischen Bundesamtes erst im Juni 2008 vorliegen, heißt es in der BVKJ-Erklärung weiter. Eine erste Auswertung der ungeklärten Todesfälle in zwei Bundesländern habe für den Zeitraum Januar-Juni 2007 bisher keinen Anstieg der ungeklärten Todesfälle gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres ergeben. (HTR)

Weitere Informationen

Stellungnahme des PEI
Stellungnahme des BVKJ
Stellungnahme der EMEA

Kommentar

Alles, was im Leben geschieht, kann auch nach einer Impfung auftreten. Ob Verkehrsunfall, Erstmanifestation eines Diabetes mellitus oder plötzlicher ungeklärter Tod: Sobald man eine große Zahl von Menschen impft – im Falle von HPV sogar mit drei Dosen – wird man schwere unerwünschte Reaktionen beobachten.

Es ist dann Aufgabe der zuständigen Behörden – in Deutschland das PEI – alle Informationen zu beschaffen, um die Ursache der "schweren unerwünschten Reaktion" zu ermitteln. Letztlich stellt sich die Frage, ob lediglich eine zeitliche Koinzidenz (Impfung wurde vor der unerwünschten Reaktion gegeben) oder aber Kausalität (Impfstoff ist Ursache des Ereignisses) vorliegt. Diese Frage lässt sich in aller Regel mit wissenschaftlicher Validität nur durch kontrollierte Untersuchungen, optimalerweise doppel-blind-randomisierte Studien, beantworten.

Das Dilemma: Wurden, wie im Falle von Gardasil®, bereits 1,8 Millionen Impfungen in Europa gegeben und traten zwei Todesfälle auf, so kommt das Ereignis in einer Größenordnung von 1:900.000 vor. Um Kausalität zu beweisen, braucht man mithin Studien mit mindestens einer Millionen Probanden – dies ist alleine aus Kostengründen nicht realisierbar. Alternative Studienmodelle (Fall-Kontroll-Studien; Zeitserien) sind dann oft eine – wenn auch weniger valide – Alternative. Das grundsätzliche Problem aller Studien ist der "Betafehler": Es nicht möglich, epidemiologisch irgendeine Annahme oder eine Hypothese a priori "auszuschließen". Man muss nur behaupten, es sei eben seltener als erwartet. Wenn man ein Ereignis unter 1 Millionen Probanden nicht findet, kann man einfach postulieren, es komme eben – kausal – nur in einer Größenordnung von 1:10 Millionen Impfdosen vor - das Gegenteil wird man kaum je beweisen können.

Um die Frage zu beantworten, ob eine unerwünschte Reaktion kausal oder koinzident nach Impfung auftrat, sind nachprüfbare, mithin wissenschaftliche, Kriterien entwickelt worden - zum Beispiel die der WHO (Edwards) oder die des Institutes of Medicine (IOM).

Kausalität nach IOM-Kriterien
Die IOM-Kriterien zum Nachweis von Kausalität umfassen:
1. Biologische Plausibilität
2. Vorhandensein von Fällen oder Fallserien
3. Kontrollierte Beobachtungsstudien
4. Kontrollierte (Kohorten-) Studien

Kausalität nach WHO-Kriterien
Die WHO unterscheidet anhand von sechs Kriterien, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Impfstoffgabe und Auftreten eines unerwünschten Ereignisses "nachgewiesen", "wahrscheinlich", "möglich", "unwahrscheinlich", "abhängig von speziellen Umständen" oder "nicht bewertbar" ist oder ob "die Datenlage unzureichend" ist, um die Frage nach einem möglichen Kausalzusammenhang zu entscheiden:

1. plausible Zeitrelation
2. Re-Exposition
3. analoge Erfahrung mit anderen Impfstoffen
4. Ausschluss anderer Gründe
5. mehr Argumente für als gegen Kausalität
6. Beweis für andere plausible Erklärungen

Behörden wie auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands handeln verantwortungsvoll, wenn sie nach zwei unerklärten Todesfällen nach Impfung von mehr als 2 Million Einzeldosen von Koinzidenz ausgehen. Unwissenschaftliche Verdächtigungen oder undifferenzierte Forderungen nach "Überprüfung" der Impfung, wie in diesen Tagen häufig geschehen, sind populistisch und schädigen den Impfgedanken. Die sorgfältige Analyse der vorhandenen Daten erfolgen auch ohne diese Aufrufe durch von der Politik unabhängige Wissenschaftler und zuständige Behörden. (HJS-FR)

Letzte Änderung: 2008-02-20 18:56:56

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14.03.2008

Kommentar: RKI legt Selbstauskünfte der STIKO-Mitglieder offen

Am 10.3. 2008 stellte das Robert Koch-Institut auf seinen Internetseiten die Selbstauskünfte der STIKO-Mitglieder online. Ziel ist laut RKI, den Entscheidungsprozess der STIKO-Empfehlungen transparent zu machen und das „Vertrauen in eine von sachfremden Interessen unbeeinflusste Tätigkeit der STIKO“ zu stärken.

Die Sachlage: Impfstudien müssen schon allein deshalb von den Pharmaherstellern selbst bezahlt werden, weil ihnen dann der Gewinn am Produkt zufällt. Und Impfstudien müssen von Wissenschaftlern gemacht werden – denn nur sie haben die Expertise. Die Anzahl von Wissenschaftlern mit dieser Ausrichtung ist begrenzt. So ist es eine logische Folge, dass an Universitäten ansässige Impfexperten auch Impfstudien für Hersteller durchführen.

Die Empfehlungen der STIKO haben schon lange großen Einfluss auf die Umsätze der Impfstoffhersteller. Die Frage nach möglichen Interessenkonflikten der Mitglieder und nach den Entscheidungsprozessen ist vor diesem Hintergrund wichtig, legitim und wohl auch niemals zufrieden stellend zu beantworten. Um dieser systembedingten Grauzone entgegen zu wirken, sind Mitglieder von Beratungen und Abstimmungen ausgeschlossen, bei denen ein möglicher Interessenkonflikt besteht. Auch wenn dieser Konflikt nur nach Selbstanzeige berücksichtigt wird, geben veröffentlichte Studien zumindest eine gewisse Kontrollmöglichkeit. Ein weiterer Schritt ist nun die Veröffentlichung möglicher Interessenskonflikte. (HTR)

Letzte Änderung: 2008-03-14 14:30:10

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10.04.2008

Masernausbruch: Fußball-Fans sollen Impfschutz prüfen lassen

Öffentlicher Aufruf des österreichischen Gesundheitsministeriums zur EURO 2008

Fußball-Fans aus dem In- und Ausland sollen anlässlich der Europameisterschaft im Juni 2008 Impflücken schließen. Dazu rief jetzt das österreichische Gesundheitsministerium auf: „Im April soll jede/jeder den Impfstatus bei ihrem/seinem zuständigen Hausarzt überprüfen lassen“. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen zwei Mal gegen Masern geimpft sein, sofern die Krankheit nicht nachweislich durchgemacht wurde. Wer sich „im Grünen" aufhält, solle zudem an Schutz gegen die durch Zecken übertragene FSME denken. Der Aufruf findet vor dem Hintergrund eines aktuellen Masernausbruchs im Salzburger Land statt. Die Gesundheitsbehörden der Schweiz hatten Fans und Bürger bereits zur Masern-Impfung aufgerufen. (HTR)

Letzte Änderung: 2008-04-10 19:08:28

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12.04.2008

No vaccination – no school in Österreich

Impfkontrollen an allen Schulen und Kindergärten im Salzburger Land

Derzeit müssen Kinder und Personal in allen Gemeinschaftseinrichtungen des Salzburger Landes ihre Impfpässe vorzeigen. Von dieser behördlichen Anordnung sind seit Anfang April Schulen, Kindergärten, Horte, Tagesstätten und Heime betroffen. Ist bereits ein Masernfall in einer Einrichtung aufgetreten, werden alle Personen ohne nachgewiesene Immunität vom Besuch ausgeschlossen. Frühestens 14 Tage nach der ersten Impfung dürfen sie wieder am Unterricht teilnehmen.

Bis zum 8. April sind in Österreich 196 Masernfälle gemeldet worden, davon 179 im Salzburger Land. Hinzukommen 36 Fälle aus dem grenznahen Bayern. Es erkranken vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, etwa 10 Patienten mussten bisher stationär behandelt werden. Nach Auskunft von Dr. Christoph König, Landessanitätsdirektor des Salzburger Landes, ist von einer doppelt so hohen Dunkelziffer auszugehen, da oft nur der erste Fall in einer Familie gemeldet wird. Er rechnet ab Ende der zweiten Aprilwoche mit einer zweiten Masernwelle in Österreich. (HTR)

Kommentar

Die Maßnahmen der Gesundheitsbehörden setzten relativ spät ein, weil die ersten Masernfälle trotz gesetzlicher Pflicht nicht gemeldet wurden. Die Rudolf-Steiner-Schule in Salzburg-Mayrwies, Ausgangspunkt des aktuellen Ausbruchs, war zeitweise geschlossen worden. Inzwischen ist sie wieder für Schüler geöffnet, die gegen Masern nachweislich immun sind. Auch wenn große Bevölkerungsteile geimpft sind, breiten sich die Masern in einer ungeschützten Bevölkerungsgruppe sehr gut aus. Das zeigt beispielsweise ein Ausbruch unter ultra-orthodoxen Juden in Jerusalem. Ausgehend von drei Masernfällen im August 2007 gab es bis zum Januar fast 500 Folgefälle, meist Säuglinge und junge Kinder bis zu 4 Jahren. Während die Durchimpfungsrate in Israel bei 95% und mehr liegt, waren die Patienten zu 96% ungeimpft, 15% mussten stationär behandelt werden.

Aktuellen Presseberichten zufolge geht nun auch das Freiburger Gesundheitsamt diesen Weg. In einer großen Freiburger Gesamtschule mit mehr als 1000 Schülern war ein Masernfall aufgetreten. Das erkrankte Mädchen besuchte, selbst als der Verdacht auf eine Maserninfektion schon offensichtlich war, noch für einige Tage die Schule und hatte zu zahlreichen Personen direkten Kontakt. Die lokale Gesundheitsbehörde schloss daraufhin sofort nach Bekanntwerden den Schulbetrieb und erließ die Verordnung, dass nur geschützte Schüler die Schule besuchen dürfen. Wer keinen Impfpass oder eine schriftlicher Bestätigung einer durchgemachten Maserninfektion vorlegen kann, bleibt draußen. (HTR, HJS-FR)

Letzte Änderung: 2008-04-12 12:54:16

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12.04.2008

Neue Masernausbrüche in Europa „besorgniserregend“, warnt ECDC

Die Europäische Überwachungsbehörde ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control, www.ecdc.europa.eu) warnt vor einer erneuten Ausbreitung der Masern in Europa. Bislang seien insgesamt 1.300 Masernfälle aus acht EU-Mitgliedsländern gemeldet worden (Schweiz, Großbritannien, Dänemark, Österreich, Spanien, Norwegen). Vor dem Hintergrund, dass die Masern in Europa bis 2010 laut WHO-Strategieplan eliminiert sein sollten, seien die aktuellen Masernausbrüche besorgniserregend, kritisierte das ECDC. Nur wenige EU-Mitgliedsstaaten erreichen die dafür erforderliche Durchimpfungsrate von 95%. (HTR)

Kommentar

Da das Meldewesen sich noch im Aufbau befindet und bei weitem nicht alle EU-Staaten über ein zuverlässiges Überwachungssystem verfügen, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Das ECDC wurde im Jahr 2005 ins Leben gerufen (http://ecdc.europa.eu/About_us/Key_Documents/ecdc_regulations.pdf).(HTR)

Letzte Änderung: 2008-04-12 14:12:39

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16.05.2008

Westdeutsche Niedergelassene impfen seltener nach STIKO

Während 84% der Kinderärzte (bzw. 82% Allgemeinmediziner) in den neuen Bundesländern (NBL) angaben, den STIKO-Empfehlungen zu folgen, waren es nur 62% (bzw. 65%) in den alten Bundesländern (ABL). Rund 31% der Pädiater bzw. 30% der Allgemeinmediziner gaben an, schon einmal Impfreaktionen, -komplikationen oder -schäden beobachtet zu haben. Deswegen schon einmal rechtlich verfolgt wurden 1% der Pädiater bzw. 2% der Allgemeinmediziner. Insgesamt antworteten 67% der 3.020 bundesweit angeschriebenen Pädiater und 42% der 4.282 angeschriebenen Allgemeinmediziner. Es handelte sich um eine repräsentative Stichprobe der Ärzte aller Bundesländer, die Fragebogen wurden randomisiert versandt und anonymisiert. (HTR)
(Quelle: 26. Jahrestreffen der European Society for Pediatric Infectious Diseases (ESPID), 13. bis 17. Mai 2008 in Graz, R. Bruns et al.: RESULTS OF THE STUDY ABOUT VACCINATION AND VACCINATION HABITUDE OF PEDIATRICIANS AND GENERAL PRACTICIONERS IN GERMANY)

Letzte Änderung: 2008-05-16 12:35:50

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16.05.2008

Noch großer Nachholbedarf bei Meningokokken-C-Impfungen

Auszugsweise Vorab-Veröffentlichung aus: "Prävention invasiver bakterieller Erkrankungen Teil 3: Meningokokken-Impfung", Impfbrief 13 ab 19.5. 2008

Die allgemeine Empfehlung der Meningokokken-C-(MenC-)Impfung zum Beginn des 2. Lebensjahrs in Deutschland mit Nachholimpfungen bis zum Jugendlichenalter führte zu einem starken Anstieg der Impferfassung. Für die Auswertung stehen die Verkaufszahlen von MenC-Impfstoff zur Verfügung. Vergleicht man Verkaufszahlen im Halbjahr vor der allgemeinen Empfehlung mit denen in den Halbjahren der Jahre 2006 und 2007 nach der Empfehlung, so ist eine durchschnittliche Steigerung auf etwa das 5-fache zu verzeichnen. Beurteilt man die Verkaufszahlen im Kontext einer von einer Marketingfirma durchgeführten Befragung (Meningokokken-Konjugat-Impfstoff erhalten oder nicht erhalten) unter Einschluss von mehr als 9.000 Kindern und Jugendlichen aus allen Bundesländern bis zum Alter von 18 Jahren, so ist einzuschätzen, dass Kinder und Jugendliche insgesamt bisher zu etwa 20% geimpft wurden: etwa 33% der Vorschulkinder, etwa 22% der jüngeren Schulkinder und etwa 10-15% der älteren Schulkinder und Jugendlichen. Die Befragung ermittelte darüber hinaus Daten hinsichtlich der Durchführung der Impfung beim Kinderarzt (Kinder- und Jugendmediziner) oder beim Hausarzt. 80% der Impfungen wurden vom Pädiater durchgeführt und etwa 10% vom Hausarzt (Allgemeinmediziner) mit leicht ansteigendem Anteil bei den älteren Schulkindern und Jugendlichen. Informiert über die Möglichkeit und Notwendigkeit der Impfung wurden Jugendliche und Eltern zu mehr als 80% durch den behandelnden Arzt bzw. in der Praxis ausliegende Informationsbroschüren. Freunde und Bekannte trugen in etwa 10% zur Information bei, nicht unerwähnt sei die positive Rolle von Informationsmaterial der Apotheken.
Für eine Erfolgsbeurteilung hinsichtlich der Inzidenzentwicklung ist es zu früh, zumal auch natürliche Schwankungen der Inzidenz zu beobachten sind. Beim Vergleich der Jahre 2006 und 2007 sind MenC-Erkrankungen um 35% zurückgegangen; im gleichen Zeitraum gingen MenB-Erkrankungen um 25% zurück.

Als Schlussfolgerung aus den Daten ist abzuleiten, dass mit der STIKO-Empfehlung des Jahres 2006 ein guter Einstieg in den Schutz vor MenC-Erkrankungen gelungen ist, dass jedoch noch großer Nachholbedarf besteht, um eine 80%ige Impferfassung der 2-Jährigen und einen ebenfalls hohen Grad an Nachholimpfungen zu gewährleisten. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei den Jugendlichen zugewandt werden, die neben den sehr jungen Kindern die zweithöchste Altersinzidenz aufweisen. Der Hausarzt sollte eine deutlich stärkere Verantwortung für die Umsetzung der Meningokokken-Impfempfehlung wahrnehmen. (Dittmann)

Letzte Änderung: 2008-05-16 12:46:04

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20.06.2008

Schon Säuglinge erkranken an Virusgrippe

Auszugsweise Veröffentlichung aus Impfbrief 20.06.08

Anonymisierte Serumproben von 1.111 Kindern und Jugendlichen im Alter von 0-18 Jahren aus den Jahren 1999 bis 2006 wurden retrospektiv auf Influenzavirus A (IVA)- und Influenzavirus B (IVB)-spezifische Antikörper untersucht. Serumproben von 809 Blutspendern im Alter von >18-30 Jahren dienten als Kontrollgruppe. Alle Blutproben stammten aus der Stadt Erfurt und Umgebung. Die Bestimmung der Antikörper erfolgte qualitativ und semiquantitativ mit den IVA- und IVB-ELISAs der Firma Novatec Immundiagnostika, wobei Virustyp-spezifische Matrix- und Ribonukleoproteine als Antigene eingesetzt wurden.

Bei Kindern und Jugendlichen betrug die durchschnittliche Antikörperprävalenz gegen IVA 82% und gegen IVB 9,6%. Im Vergleich dazu bestand in der Erwachsenengruppe eine IVA-Prävalenz von 99,4% und eine IVB-Prävalenz von 56,7%. Der Abbau mütterlicher Antikörper ließ sich anhand der IVB-Antikörperprävalenz gut verfolgen. Nur 1-2% der Kinder bis zum 9. Lebensjahr wiesen IVB-Antikörper auf. Im Gegensatz dazu hatten bereits im ersten Lebensjahr 63% aller Kinder IVA-Antikörper, bis zu einem Alter von 12 Jahren waren es nahezu 100%. [...](HTR)

(Sauerbrei et al.: PRÄVALENZ INFLUENZA-SPEZIFISCHER IGG-ANTIKÖRPER BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN; DGPI-Tagung, Erlangen 2008)

Letzte Änderung: 2008-06-20 13:36:52

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07.07.2008

Beschwerde gegen KV-Berlin beim Berliner Senat eingelegt

Das Institut für medizinische Information in Freiburg hat Beschwerde beim Berliner Senat gegen die nicht gesetzeskonforme Umsetzung der SiR durch die berliner Ärztevertretung eingelegt. Die Behörde hat inzwischen die KV-Berlin zur Stellungnahme und Korrektur aufgefordert. Nachfolgend Inhalt des Schreibens.

An den
Senat für Gesundheit , Umwelt und Verbraucherschutz
Berlin
z.H. Herrn M. Schmahl

Freiburg, 28.06.2008 

Sehr geehrter Herr Schmahl,

Sie wurden mir als Referent der Aufsichtsbehörde für die Kassenärztliche Vereinigung Berlin genannt. Vielen Dank für das vorab geführte Telefongespräch.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die KV Berlin die neue Schutzimpfungsrichtlinie (SiR) des G-BA nicht ordnungsgemäß umsetzt, sondern sich hinsichtlich des Dokumentationsschlüssels nur an der SiR „orientiert“ (siehe Rundschreiben der KV vom 25.06.2008). Dadurch gehen wichtige Informationen des bundesweiten Dokumentationsschlüssels verloren.

Die Anwendung eines eigenen oder verkürzten Dokumentationsschlüssels ist nicht statthaft, da die Richtlinien des G-BA für die vertragsärztliche Tätigkeit bindend sind, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV.

Eine Vereinfachung des Dokumentationsschlüssels, wie hier beabsichtigt, kann nicht die Fragen beantworten, die der Gesetzgeber als vordringlich eingestuft hat. Sinn der SiR ist u.a. die bundesweite Vereinheitlichung der Impfdokumentation in der ärztlichen Praxis, um daraus dringend notwendige sozialmedizinische und epidemiologische Daten zu gewinnen. Wie Sie wissen, kann die Impfprävention in Deutschland nicht als optimal bezeichnet werden, auch nicht im internationalen Vergleich.

Wenn nur ein Bundesland einen anderen Weg geht, ist die Datenlage insgesamt fehlerbehaftet und nicht vorbehaltlos auszuwerten. Die Bevölkerung hat aber einen Anspruch darauf, dass die Richtlinien des G-BA entsprechend dem Gesetz frist- und formgerecht umgesetzt werden. Sie dienen ja der Verbesserung unseres Impfwesens und damit der Gesunderhaltung.

Ich bitte Sie, als Referent der aufsichtsführenden Behörde, entsprechend tätig zu werden. Nach Gesetzt tritt die Anlage 2 der Richtlinie bereits am 01.07.2008 in Kraft.

Übrigens haben sich, wie aus der Presse hervorging, auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der G-BA befremdlich über Verzögerungen und eigenständigen Änderungen der SiR geäußert.

Roland Stahl, Pressesprecher der KBV, hat am 27.06.08 gegenüber der Redaktion des Impfbrief-Online nochmals ausdrücklich auf den für die vertragsärztliche Tätigkeit bindenden Charakter der G-BA Richtlinien hingewiesen.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Dr. med. Hans-Jürgen Schrörs

Kommentar

Auch wenn der Dokumentationsschlüssel des G-BA berechtigterweise einigen Experten nicht weit genug geht (z.B. dem BVKJ), so darf er schon gar nicht in der Art abgeändert werden, dass von den unzureichenden Informationen noch weitere verloren gehen. Es ist von allgemeinem Interesse, dass die SiR 1:1 umgesetzt wird. Unverständlich dieser KV-Beschluss, handelt es sich beim G-BA doch um eine gemeinsame Selbstverwaltung, an der auch die Ärzte beteiligt sind.

Der G-BA definiert sich folgendermaßen selber (Quelle www.g-ba.de):
"Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens." HJS-FR

Letzte Änderung: 2008-07-07 20:15:02

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15.07.2008

Typhus-Ausbruch in Dänemark

In Dänemark verursacht Salmonella Typhimurium U292 derzeit einen größeren Typhus-Ausbruch (Eurosurveillance 13 (28) 2008). 366 Personen sind seit Februar 2008 erkrankt, grob die Hälfte ist unter 15 Jahre alt. In den vergangenen Jahren waren nur etwa 30% in dieser Altersgruppe an Typhus erkrankt. Die meisten Fälle wurden im Juni und Juli registriert. Der Typ U292 ist sehr selten. Abgesehen von wenigen Fällen innerhalb von Familien besteht bislang keine erkennbare Verbindung zwischen den Patienten. Die Gesundheitsbehörden ermitteln weiter. Der Ausbruch ist nach den bisherigen Erkenntnissen auf Dänemark beschränkt. (HTR) 

Letzte Änderung: 2008-07-15 11:34:11

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18.07.2008

Pertussisinzidenz in Deutschland steigt weiter

Auch im Jahr 2007 wurden in den neuen Bundesländern (NBL) wieder mehr Pertussis-Erkrankungen gemeldet als im Vorjahr. In den alten Bundesländern (ABL) besteht keine Meldepflicht. Die Fallzahlen stiegen von 1.320 im Jahr 2002 auf 5.243 im Jahr 2007, die meisten Erkrankten waren zuvor geimpft (Epidemiologisches Bulletin 27/2008). Bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren stieg die Inzidenz am stärksten an. Darin spiegelt sich nach Aussage der Autoren die begrenzte Dauer des Impfschutzes von etwa 4 bis 12 Jahren. Die Auffrischimpfung im Alter von 5 bis 6 Jahren wird erst seit 2006 empfohlen. Die Auffrischimpfung für 9- bis 17-Jährige wird seit dem Jahr 2000 öffentlich empfohlen. Während die Durchimpfungsraten in Ost- und Westdeutschland sich im Kleinkindalter nicht wesentlich unterschieden, waren in den alten Bundesländern die Impflücken bei älteren Schulkindern besonders groß: Rund 57% der 14- bis 17-Jährigen in den ABL waren ungeimpft, jedoch nur rund 8% in den NBL. Eine Grundimmunisierung und Auffrischimpfung hatten in den ABL 5,3% der Kinder dieser Altersgruppe erhalten, in den NBL 39,5%.

Fazit

  • Es gibt keinen monovalenten Pertussisimpfstoff.
  • Bei Auffrischimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie sollte deshalb immer geprüft werden, ob eine Pertussisimpfung sinnvoll ist.
  • Besonderes Augenmerk sollte dem Impfschutz gegen Pertussis bei älteren Kindern und Jugendlichen gelten (siehe auch Impfbrief 20.06.08: „Impfungen für Jugendliche - Lösungsansätze jenseits der J1“).
  • Die einmalige Tdap- oder Tdap-IPV-Impfung kann bei Jugendlichen auch dann eine befriedigende Immunantwort auslösen, wenn diese keine oder keine vollständige Grundimmunisierung erhalten haben (vergleiche Impfbrief 20.06.08: „Pertussisimmunität bei Jugendlichen vor und nach Booster“)
  • Je nach Risikolage kann bereits nach mehr als 18 Monaten erneut Tdap oder Tdap-IPV gegeben werden, ohne dass bei Kindern und Jugendlichen wesentlich verstärkte Lokalreaktionen zu befürchten sind.

(HTR)

Letzte Änderung: 2008-07-18 08:43:32

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18.07.2008

Influenzaimpfung unter Langzeit-Antikoagulatien-Therapie möglich

Auszugsweise Vorab-Veröffentlichung aus: "Praxistipp: Influenzaimpfung unter Langzeit-Antikoagulatien-Therapie", Impfbrief 15 ab 22.07.2008

Mitte der 80er Jahre wurde erstmals über einen Fall stark verlängerter Prothrombinzeit (36 Sekunden) mit massiven gastrointestinalen Blutungen 10 Tage nach Influenzaimpfung berichtet (Kramer und MCClain 1981). Es stellte sich daher die Frage, ob Patienten unter Langzeittherapie mit Antikoagulantien geimpft werden können, ohne dass sich das Risiko für lebensgefährliche Blutungen erhöht. Auch lokale Blutungen an der Injektionsstelle wurden befürchtet, insbesondere da früher Influenza-Impfstoffe nur zur intramuskulären Injektion zugelassen waren. Inzwischen sind laut Fachinformationen 2007/2008 alle Influenza-Impfstoffe mit Ausnahme von Fluad® auch für die tief subkutane Injektion zugelassen. Die subkutane Applikation könnte allerdings gerade bei hochbetagten multimorbiden Patienten die Immunogenität der Influenzaimpfung negativ beeinflussen.

Die ursprünglich widersprüchlichen Studienergebnisse zum Einfluss der Influenza-Impfung auf die Blutungsneigung von Patienten unter Antikoagulation konnten in größeren Studien nicht bestätigt werden und sind wahrscheinlich durch die geringe Anzahl der Versuchspersonen mitbedingt. Influenzaimpfung verlängert nicht die Prothrombinzeit, bzw. dokumentierte Veränderungen liegen im Bereich des Normalen. Gerade für ältere Menschen, die aufgrund anderer Grunderkankungen mit Antikagulantien behandelt werden, ist der Schutz vor Influenza von hoher Bedeutung und kann nach vorliegenden Daten sicher durchgeführt werden. (HTR)

Letzte Änderung: 2008-07-18 08:48:54

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28.07.2008

Nur kleine Änderungen in STIKO-Empfehlungen

Die aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) enthalten nur minimale Änderungen:

  • Sollten im Umfeld eines Poliokranken Sekundärfälle auftreten, würden Riegelungsimpfungen nicht mehr mit oral appliziertem Lebendimpfstoff (OPV) durchgeführt.
  • Der Landkreis Rhön-Grabfeld in Unterfranken zählt inzwischen auch zu den FSME-Risikogebieten.
  • Schließlich ist der Hinweis, dass für Personen ab 60 Jahren nur bei erhöhtem Risiko eine Wiederimpfung gegen Pneumokokken erwogen werden sollte, nun auch im Standardimpfkalender explizit erwähnt.

Seit 2007 sind Impfungen Pflichtleistungen der Krankenkassen. Welche Impfungen bezahlt werden müssen, legt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsminsterium fest. Die Empfehlungen der STIKO werden dabei fast unverändert übernommen.

In der begleitenden Pressemeldung kritisierte Jörg Hacker, Präsident des Robert Koch-Instituts, dass die Möglichkeiten für Schutzimpfungen noch nicht ausreichend genutzt würden. Das Robert Koch-Institut wies insbesondere auf die Impflücken gegen Masern, Mumps und Röteln hin. Nur knapp 60 Prozent der Kinder im Alter von zwei Jahren seien zweimal gegen Masern geimpft. Ausdrücklich begrüßt wurde die U7a zwischen dem 34. und 36. Lebensmonat. „Damit gibt es zukünftig beim Übergang vom Kleinkind zum Kindergartenkind eine Bewertung des Impfstatus und eine Festlegung des nächsten Impftermins im Vorsorgeheft.“ (HTR)

Letzte Änderung: 2008-07-28 13:13:01

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22.08.2008

Drei neue Stämme im Influenzaimpfstoff 2008/2009

Der Influenzaimpfstoff für die Saison 2008/2009 ist komplett neu zusammengestellt:

A/Brisbane/59/2007 (H1N1)-ähnlicher Virusstamm
A/Brisbane/10/2007 (H3N2)-ähnlicher Virusstamm
B/Florida/4/2006-ähnlicher Virusstamm

Die WHO erläuterte dazu unter anderem, dass Influenza-B-Ausbrüche im vergangenen Jahr sowohl durch den Stamm B/Victoria/2/87 ausgelöst wurden als auch durch B/Yamataga/16/88. Der B/Yamataga-Stamm dominierte jedoch und sei mit dem bisher verwendeten Impfvirus B/Malaysia/2506/2004 weniger nah verwandt als mit dem B/Florida/4/2006-Stamm. Vergleichbare Verschiebungen gab es bei den zirkulierenden Influnza-A-Viren. (HTR)

Zwischen September 2007 und Januar 2008 war die Influenzaaktivität im Vergleich zu den Vorjahren gering. Erkrankungen wurden vor allem aus Afrika, vom amerikanischen Kontinent, Asien, Europa und Ozeanien gemeldet. In der nördlichen Hemisphäre war das Influenza-A-(H1N1)-Virus im vergangenen Jahr für die meisten Influenza-Erkrankungen und lokalen Ausbrüche verantwortlich. Das Influenza-A-(H3N2)-Virus trat in vielen Ländern nur sporadisch auf, Ausbrüche wurden aus den USA gemeldet. Auch Influenza-B-Virus zirkulierte in vielen Ländern auf geringem Level. Ausbrüche gab es in China, Ungarn und den USA. Am so genannten Vogelgrippevirus, Influenza A (H5N1), erkrankten zwischen September 2007 und 13. Februar 2008 insgesamt 33 Menschen. Die Fälle wurden aus Ägypten, China, Indonesien, Myanmar, Pakistan und Vietnam gemeldet. Damit stieg die Gesamtzahl der Erkrankungen beim Menschen seit Dezember 2003 auf weltweit 360.

Weiterführende Links
www.who.int/wer/2008/wer8309.pdf
www.who.int/csr/disease/influenza/recommended_compositionFeb08FullReport.pdf

Letzte Änderung: 2008-08-22 09:44:22

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08.09.2008

Praxistipp: Wann gegen Typhus impfen?

In den Empfehlungen der STIKO und der DTG werden „endemische“ Länder angesprochen, vor deren Besuch eine Typhusimpfung erwogen werden sollte. Die wesentliche Indikation für eine Impfung gegen Typhus ist der Reisestil in einem so genannten Endemiegebiet.

Denn obwohl die meisten Typhusfälle in Südostasien, Indien, Pakistan und im südlichen Afrika der WHO gemeldet wurden, ist das Risiko für die gewöhnlichen Urlaubs- und Geschäftsreisenden mit gehobenem Reisestil gering, also bei Unterbringung in Hotels mit hohem Hygienestandard. In Anlehnung an die o. a. Empfehlungen und die der WHO (International Travel and Health; www.who.int/ith/) würde man insbesondere Reisenden nach Nord- und Westafrika, Indonesien und Peru sowie nach Südasien, also Nepal, Indien, Pakistan und Bangladesh eine aktive Immunisierung gegen Typhus eher anraten. In den übrigen Endemiegebieten ist das Risiko für Reisende üblicherweise sehr gering. Sofern aber Reisen geplant sind unter einfachsten Bedingungen mit unzureichender Hygiene bei der Nahrungszubereitung und/oder unzureichender Trinkwasserqualität oder in Regionen bzw. Situationen mit unzureichender Sicherheit bei der Trennung von Trink- und Abwasser, dann sollte eine Impfung gegen Typhus bei Reisen in die Tropen und Subtropen (Ausnahme Australien und Neuseeland) angeraten werden. Dies können zum einen Rucksack- und Trekkingreisen sein, aber auch Ersthelfereinsätze in Überschwemmungsgebieten mit noch unzureichender Trinkwasserversorgung wie auch moderne Kuraufenthalte unter einfachen Bedingungen, die das regelmäßige Trinken von Flusswasser „zur Selbstreinigung“ beinhalten könnten. (Bialek)

Weiterführende Links:

www.who.int/ith/chapter5_2008%5b1%5d.pdf

Letzte Änderung: 2008-09-08 15:56:21

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18.09.2008

Welt-Tollwut-Tag

Auszugsweiser Abdruck aus dem Impfbrief vom 18.09.2008

Den 28. September 2008 hat die Weltgesundheitsorganisation zum zweiten Welt-Tollwut-Tag ausgerufen. Aus diesem Anlass beschäftigt sich auch der Impfbrief in mehreren Artikeln mit diesem Thema. Offizielle Website: www.worldrabiesday.org

In ihrem Aufruf zum Welt-Tollwut-Tag führt die WHO aus, dass kein Mensch an Tollwut sterben müsste, dennoch ereilt weltweit jedes Jahr schätzungsweise 55.000 Menschen dieses Schicksal, vor allem in Asien und Afrika. Das entspricht einer Rate von einem Tollwuttodesfall alle 10 Minuten. Mehr als 10 Millionen Menschen erhalten jedes Jahr eine nachträgliche Tollwutimmunisierung wegen möglicher Ansteckung.

Häufigste Ursache für Tollwut des Menschen weltweit ist eine Ansteckung bei Hunden. Kinder tragen das höchste Ansteckungsrisiko. Sie haben einen Anteil von 30 bis 50% an den Tollwutfällen weltweit. Zudem werden Kinder häufiger in Körperregionen gebissen (z.B. im Bereich des Kopfes), die eine kurze Inkubationszeit haben und daher eine schnelle Behandlung erfordern. Doch in vielen Ländern der Erde ist eine gute medizinische Versorgung nicht sofort erreichbar. Aufklärung der gefährdeten Menschen, Impfung und anderweitige Kontrolle der Hundetollwut in Städten sowie ein verbesserter Zugang zu medizinischer Versorgung für Menschen, die gebissen wurden, sind die Ziele des Welt-Tollwut-Tages.

Bestimmungen der EU zur Einfuhr von Haustieren in Deutscher Sprache sind nachzulesen unter http://eur-lex.europa.eu/pri/de/oj/dat/2003/l_146/l_14620030613de00010009.pdf

Empfehlungen der STIKO zur postexpositionellen Tollwutprophylaxe abhängig von Art und Grad der Exposition sind nachzulesen auf Seite 253 des Epidemiologischen Bulletins 30/2008.

Letzter Übersichtsbericht zur Fledermaustollwut in Deutschland: Epidemiologisches Bulletin 26/2003.

Epidemiologie der Tollwut in Europa (in englischer Sprache): Rabies Bulletin Europe, www.who-rabies-bulletin.org

(HJS-FR/HTR)

Letzte Änderung: 2008-09-18 10:32:59

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28.11.2008

Pandemie-Opfer starben vorwiegend an bakterieller Pneumonie

Auszugsweise Veröffentlichung aus Impfbrief 19

Von insgesamt vier Influenza-Pandemien aus den vergangenen 120 Jahren liegen Aufzeichnungen, Berichte und teilweise auch Gewebeproben vor. Dennoch gibt es wenig aktuelle Bewertungen, welche Faktoren bei der Mehrzahl der Pandemie-Opfer zum Tode führten. Morens et al. sichteten Berichte über die so genannten Spanische Grippe, die 1918 bis 1919 um die Welt ging und untersuchten erneut original Gewebeproben (JID 198 (2008) 962-70).

Anders als die „Asiatische Grippe (1957/58)“ und die „Hongkong-Grippe“ (1968/69) fand die „Spanische Grippe“ noch in der Präantibiotika-Ära statt. Morens et al. untersuchten erneut geschnittene Gewebeproben, die von 58 Opfern der Spanischen Grippe stammten. Außerdem sichteten sie epidemiologische, pathologische und mikrobiologische Daten aus 8.398 Autopsien. Informationen aus neun Jahrzehnten, die über die Zirkulation der Abkömmlinge des 1918er Virus berichteten, waren ebenfalls Gegenstand ihres Reviews.

„Die Grippe verurteilt, die Sekundärinfektionen richten hin“

frei übersetzt nach Louis Cruveilhier, 1919

[...]

Obwohl die Ursachen der Influenza 1918 diskutiert wurden, waren sich damals praktisch alle Experten einig, dass nicht das unbekannte Agens den Tod der Patienten verursachte, sondern dieser durch die schwere sekundäre Pneumonie eintrat. Als Verursacher der Pneumonie konnten die bekannten „Pneumopathogene“ identifiziert werden, die die oberen Atemwege kolonisieren (hauptsächlich Pneumokokken, Streptokokken und Staphylokokken). Die meisten Experten nahmen an, dass die Patienten sich ohne die sekundäre Pneumonie wieder erholt hätten. Die Charakteristika der mit Influenza assoziierten Pneumonien entsprachen denen der Pneumonien in Zeiten ohne Influenza.

[...]

Fazit

Die Autoren der vorliegenden Studie gehen davon aus, dass auch in zukünftigen Pandemien damit gerechnet werden muss, dass Influenzavirus und prävalente kolonisierende Bakterien ähnlich koagieren wie in vergangenen Pandemien. Sie plädieren dafür, neben den gegen das Virus selbst gerichteten Vorsorgemaßnahmen in der Pandemieplanung auch Maßnahmen gegen die bakterielle Pneumonie (z.B. Antibiotika und bakteriellen Impfstoffe) eine hohe Priorität einzuräumen. (HTR)

Letzte Änderung: 2008-11-28 10:13:54

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04.12.2008

Daten und Fakten zur HPV-Impfung 3

Anlässlich der aktuellen Diskussion zur HPV-Impfung in den Medien ausgelöst durch eine Stellungnahme von 13 Wissenschaftlern, macht der Impfbrief bereits erschienene Übersichtsartikel unentgeltlich öffentlich zugänglich.

Impfbrief 21.10.08

Frage des Monats

Serotypenreplacement nach HPV-Impfung?

Bei einer Patientin steht die dritte HPV-Impfung bevor. Aufgrund von Medienberichten macht sie sich große Sorgen wegen möglicher der Nebenwirkungen und wegen des so genannten Serotypenreplacements. Was würden Sie ihr antworten?

Von Replacement spricht man, wenn z.B. durch eine erfolgreiche Impfaktion ein gefährliches Virus unterdrückt oder gar eradiziert wird und dann durch einen anderen Virustyp (der nicht durch die Impfung erfasst wird) ersetzt wird. Ein solches Phänomen ist biologisch grundsätzlich möglich, bedeutet aber nicht, dass der den ursprünglich vorhanden Hochrisikovirus ersetzende Typ dann ebenfalls krankheitsrelevant ist. Ein Replacement kann mithin auch völlig ohne negative Risiken für den betreffenden Menschen sein. Experten diskutieren, ob ein solches Replacement durch die HPV-Impfung stattfinden könnte. Das European Centre of Disease Prevention and Control (ECDC) hat im Januar diesen Jahres ein Richtlinienpapier (ECDC GUIDANCE FOR THE INTRODUCTION OF HPV VACCINES IN EU COUNTRIES, Stockholm, January 2008) herausgegeben, das auch auf diese Fragestellung eingeht. Ein Genotypenreplacement wird in diesem Papier für „möglich“ gehalten und daher empfohlen, die Genotypenverteilung nach Einführung der Impfung zu überwachen. Soweit bisher bekannt, sind die in den aktuell zugelassenen Impfstoffen enthaltenen Genotypen die „gefährlichsten“, sie lösen am häufigsten ein Zervixkarzinom aus. Durch die Elimination dieser zwei Virustypen können abhängig von der regionalen Verteilung über 70% der HPV-assoziierten Karzinome verhindert werden. Die Assoziation zur Tumorentwicklung ist dabei nicht mit der Häufigkeit des Auftretens von HPV-16- und -18-Infektionen verbunden, sondern vielmehr mit dem bei diesen beiden Stämmen besonders hohen Tumorrisiko. In der Tat sind HPV 16 und 18 nicht für 70% der nachgewiesenen Genitalinfektionen durch HPV-Typen bei Frauen verantwortlich. Selbst wenn es also zu einem Replacement kommen würde, ist es eher weniger wahrscheinlich, dass dies zu einer drastischen Zunahme von Karzinomen durch andere HPV-Typen führen muss. Uns ist keine Untersuchung bekannt, die beschreibt, dass ein anderer HPV-Genotyp „gefährlicher“ im Sinne von einem höheren Risiko für die Zervixkarzinom-Entwickung ist, als die beiden im Impfstoff enthaltenen tumorassoziierten Virustypen.
 
Gleichzeitig wird untersucht, inwiefern die Wirkung der Impfung über die enthaltenen Genotypen hinausgeht, mithin Schutz durch eine immunologische Kreuzreaktivität erreicht werden kann. Dies ist besonders interessant für genetisch eng verwandte Virustypen. So weisen neue Ergebnisse daraufhin, dass durch die verfügbaren Impfstoffe auch Protektion gegen den Impf-HPV-Viren (16 und 18) nah verwandte HPV-Viren (z.B. Genotypen 31, 33, 35, 52 und 58) Schutz vermittelt werden kann. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als „Kreuzprotektion“.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht kein Anlass an der Sicherheit der HPV-Impfung zu zweifeln: Seit die HPV-Impfung generell empfohlen wurde, wird von verschiedenster Seite Kritik formuliert: Vorschnelle Zulassung, zu geringe Schutzraten bzw. fehlender Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs, fehlende Studien zur Sicherheit der Impfstoffe – die Liste der falschen bzw. fehlenden Informationen ist lang. Alle verantwortungsvollen öffentlichen Gremien und Behörden im Gesundheitswesen haben dieser Kritik widersprochen und die Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe wiederholt unterstrichen. Das Paul-Ehrlich-Institut hat auf seinen Internetseiten Antworten auf die häufigsten Anfragen von Ärzt/inn/en und Bürger/inne/n und den Medien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Einzusehen unter: www.pei.de Wahrscheinlich dürfte dort der folgende Brief für Ihre Patientin am interessantesten sein: http://www.pei.de/cln_108/nn_992504/SharedDocs/Downloads/fachkreise/080208-leserbrief-hpv-fr,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/080208-leserbrief-hpv-fr.pdf
Da sie schon zwei Impfungen erfolgreich erhalten hat, würden wir ihr empfehlen, den Impfstatus durch die dritte Impfung zu komplettieren und damit einen langjährigen Schutz vor den beiden gefährlichsten HPV-Typen 16 und 18 zu erwerben.
(Zepp)

Letzte Änderung: 2008-12-04 08:40:43

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04.12.2008

Daten und Fakten zur HPV-Impfung 2

Anlässlich der aktuellen Diskussion zur HPV-Impfung in den Medien ausgelöst durch eine Stellungnahme von 13 Wissenschaftlern, macht der Impfbrief bereits erschienene Übersichtsartikel unentgeltlich öffentlich zugänglich.

Impfbrief 22.01.08

Vergleich der Impfstoffe Cervarix® und Gardasil®

Anlässlich des neu aufgelegten Impfprogramms in Großbritannien verglich die Gesundheitsbehörde, Health Protection Agency, die jüngsten Daten zur Wirksamkeit beider Impfstoffe. Sie zeigen eine Wirksamkeit von mehr als 90% bei Frauen, die noch keine Infektion mit dem jeweiligen HPV-Typ hatten (siehe Tabellen 1, 2). Aufgrund unterschiedlicher Ausgangsdaten sind beide Impfstoffe jedoch nicht direkt vergleichbar (siehe Tabelle 3). Grundsätzlich behandelt die Per-Protokoll(PP)-Analyse die Wirksamkeit des Impfstoffs unter streng kontrollierten, optimalen Bedingungen, wie z.B. abgeschlossener Impfserie, während die so genannte Intention-To-Treat(ITT)-Analyse einen Eindruck davon gibt, welchen Einfluss ein Impfstoff unter weniger optimalen Bedingungen dennoch haben kann. Siehe auch Tabellen 1 - 3. (HTR)

Tabelle 1

[Grafik aus technischen Gründen bitte Einsehen unter: http://www.impfbrief.de/dyn_img/bild_38.gif]

Tabelle 2

[Grafik aus technischen Gründen bitte Einsehen unter: http://www.impfbrief.de/dyn_img/bild_39.gif]

Tabelle 3

[Grafik aus technischen Gründen bitte Einsehen unter: http://www.impfbrief.de/dyn_img/bild_36.gif]

Letzte Änderung: 2008-12-04 08:41:13

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04.12.2008

Daten und Fakten zur HPV-Impfung 1

Anlässlich der aktuellen Diskussion zur HPV-Impfung in den Medien ausgelöst durch eine Stellungnahme von 13 Wissenschaftlern, macht der Impfbrief bereits erschienene Übersichtsartikel unentgeltlich öffentlich zugänglich.

Impfbrief 16.05.07

HPV-Impfung

Die STIKO empfiehlt mit Veröffentlichung vom 23. März 2007, alle Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren (also bis zum 18. Geburtstag) gegen HPV zu impfen. Impfziel ist die Reduktion der Krankheitslast durch Gebärmutterhalskrebs.

(Zugelassenes und verfügbares Produkt: Gardasil®; Zulassung erwartet für 2007: Cervarix®)

STIKO-Empfehlung (Epidemiologisches Bulletin 12/2007)
Die STIKO empfiehlt mit Veröffentlichung vom 23. März 2007, alle Mädchen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren (also bis zum 18. Geburtstag) gegen HPV zu impfen. Im Detail:

  1. Impfziel ist die Reduktion der Krankheitslast durch Gebärmutterhalskrebs, die durch die HPV-Typen 16 oder 18 hervorgerufen wird.
  2. Die Impfung mit 3 Dosen sollte vor dem ersten Geschlechtsverkehr abgeschlossen sein.
  3. Für die wirksame Umsetzung dieser Impfempfehlung ist ein strukturiertes, mit allen Akteuren abgestimmtes Impfprogramm notwendig.
  4. Die HPV-Impfung sollte genutzt werden, die übrigen Impfungen für Jugendliche zu vervollständigen, aufzufrischen, bzw. nachzuholen (Hepatitis B, Td-IPV; Meningokokken C; MMR, Varizellen). Aktuell kann HPV-Impfstoff aber nur zeitgleich mit Hepatitis-B-Impfstoff gegeben werden.
  5. Mädchen, die zwischen 9 und 12 Jahren alt sind, bzw. Frauen, die 18 Jahre oder älter sind, können ebenfalls von der Impfung profitieren. Es liegt in der Verantwortung des betreuenden Arztes, individuell Nutzen und Risiken zu prüfen und die Patientinnen auf die Möglichkeit der Impfung hinzuweisen.
  6. Geimpfte Personen sind darüber zu informieren, dass neben HPV 16 und 18 auch weitere HPV-Typen Krebs verursachen - sie sollten daher weiterhin an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen.

Hintergrund

Das Zervixkarzinom, andere Karzinome des Genitaltraktes und einige Karzinome an anderen Körperregionen sowie genitale Papillome sind Folge einer Infektion mit Papillomaviren des Menschen. Im Laufe ihres Lebens infizieren sich schätzungsweise 70% aller sexuell aktiven Frauen mit HPV. Von den rund 100 HPV-Genotypen verursachen nur wenige ein Karzinom, allen voran die Typen 16 und 18, die zusammen für etwa 70% der Krebsfälle verantwortlich sind. HPV 6 und HPV 11 sind mit Genitalwarzen assoziiert. In den allermeisten Fällen wird der Erreger aber wieder eliminiert, bei 70-90% der Infizierten ist HPV schon nach 1 Jahr nicht mehr nachweisbar (siehe Tabelle 1). HPV induzieren praktisch keinerlei Entzündungsreaktion, die Infektion verläuft klinisch stumm. Nur etwa 60% der infizierten Frauen haben Antikörper gegen HPV, meist aber nur in geringer Konzentration und meist nur für kurze Zeit. Wenn eine Virus-Elimination mittels spezifischer T-Zellen nicht gelingt und HPV persistieren, können Dysplasien und Neoplasien entstehen: CIN = cervical intraepithelial neoplasia; Einteilung nach Schweregrad in die Stadien CIN I, CIN II oder CIN III. CIN-Läsionen sind Krebs-Vorstufen, die erst nach Jahren oder Jahrzehnten als solche klinisch manifest werden.

Tabelle 1: Die häufigste Folge einer Infektion mit HPV ist die Erreger-Elimination – auch nach Infektion mit HPV 16 oder mit HPV 18, die zusammen für rund 70% aller Zervixkarzinome verantwortlich sind. Selbst wenn eine „zervikale intraepitheliale Neoplasie“ (CIN) entsteht, ist eine Spontanremission mit den in der Tabelle angegebenen Häufigkeiten noch möglich.

[Grafik aus technischen Gründen bitte Einsehen unter: http://www.impfbrief.de/dyn_img/bild_4.gif]

Epidemiologie

Die Prävalenz für einen HPV-Nachweis wird auf 8 bis 15% geschätzt, für eine Infektion mit einem der beiden Hoch-Risiko-Typen (16; 18) wird für amerikanisch Frauen (18 bis 25 Jahre) mit 7,8% angegeben. Serologische Hinweise für eine Infektion findet man bei ca. 25% amerikanischer Frauen zwischen 20 und 29 Jahren. Die Häufigkeit von CIN liegt bei Frauen in Deutschland bei rund 1%. In Deutschland werden jährlich rund 6.500 Zervixkarzinome neu diagnostiziert, daraus resultieren rund 1.500 Todesfälle. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein heute 10 Jahre altes Mädchen in seinem Leben an einem Zervixkarzinom erkrankt, wird mit 1:100 angegeben, dass es an einem Zervixkarzinom verstirbt mit rund 1:400.

Impfstoffe

Antigene

Der zugelassene und verfügbare Impfstoff Gardasil® wie auch Cervarix® bestehen aus rekombinant hergestellten „virus like particles“ (VLP), dem Hauptkapsid-Protein L1 von Papilloma-Viren (Details siehe Tabelle 2). Gardasil hat neben den beiden HPV-Typen 16 und 18 auch HPV 6 und HPV 11-Antigen.

Tabelle 2: Vergleich zwischen Gardasil und Cervarix

[Grafik aus technischen Gründen bitte Einsehen unter: http://www.impfbrief.de/dyn_img/bild_5.gif]

Immunität

Nach HPV-Impfung findet man im Serum 100- bis 1.000-fach höhere Antikörperkonzentrationen als nach einer Infektion mit HPV. Neutralisierende Antikörper sind wahrscheinlich der relevante Schutzmechanismus vor einer HPV-Infektion, wenn auch ein „Schutztiter“ nicht definiert ist. Nach einem initial raschen Abfall erreichen die Antikörper ein Plateau über wenigstens 5 Jahre hinweg. Die Dauer des Plateaus ist aber (noch) nicht bekannt, und damit auch nicht die Antwort auf die Frage ob und ggf. wann Booster-Dosen notwendig werden.

Sicherheit und Reaktogenität

Lokalreaktionen und Fieber werden nach HPV-Impfung sehr häufig beobachtet, bleibende Impf-Schäden sind bisher nicht beschrieben worden. Nur rund 0,2% der Probandinnen brachen ihre Teilnahme an einer HPV-Studie wegen schwerwiegender Reaktionen ab.

Wirksamkeit

Für Gardasil®sind Studien der Phasen II und III publiziert, für Cervarix® bisher nur Studien der Phase I-II. Nach Gabe von 3 Dosen lag die Schutzwirkung von Gardasil® in Plazebo-kontrollierten, doppel-blind-randomisierten Studien mit zusammen mehr als 20.000 Probandinnen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren bei 95,2% (95% KI: 87,2%; 98,7%). Die „intention to treat-Analyse“ (Einschluss auch von Frauen, die mindestens eine Impf-Dosis erhalten hatten oder die bei Impfung HPV-positiv waren) zeigte eine Schutzrate von 46,4% (95%KI: 35,2%; 55,7%).
Vergleichbar große Untersuchungen sind für Cervarix® (noch) nicht publiziert. In kleineren Studien der Phase II schützte die Impfung ebenfalls vor HPV-Infektion und vor pathologischen Veränderungen des Gebärmutterhalses.

Für die Altersgruppe zwischen 9 und 15 Jahren liegen keine Wirksamkeitsstudien vor, lediglich „Brückenstudien“, in denen die Immunogenität der Impfstoffe belegt ist. Es ist weiterhin plausibel, dass auch Frauen, die älter als 26 Jahre sind, durch HPV-Impfung vor einer HPV-Infektion geschützt werden.

Es gibt keine Daten, die belegen, dass die Impfung von Männern gegen HPV deren weibliche Partner vor einer HPV-Infektion schützen würde. Ein solcher Schutz im Sinne einer Herdenimmunität ist zwar denkbar und wird immer wieder postuliert – aber er ist keinesfalls belegt.

Ko-Administration mit anderen Impfstoffen

Gardasil® kann zeitgleich mit Hepatitis-B-Impfstoff gegeben werden, für andere Produkte liegen bisher keine Erfahrungen vor. Studien zur gleichzeitigen Verabreichung von HPV mit konjugierten Meningitisimpfstoffen und Kombinationsimpfstoffen (Diphtherie, Tetanus, Pertussis) laufen. (HJS)

Kommentar: Hier wird ein sehr langfristiges Ziel anvisiert. Das ist nicht verkehrt: Auch bei Einführung der Hepatitis-B-Impfung wurde ein spürbar positiver Effekt erst nach rund 20 Jahren erwartet. Allerdings ist anders als bei der Hepatitis-B-Impfung bei der HPV-Impfung bisher keine Herdenimmunität belegt. Zudem wird das PAP-Screening damit keinesfalls überflüssig, denn es bleiben immer noch mindestens (!) die 30% HPV-Typen, die nicht vom Impfstoff abgedeckt werden. In den ersten 5-15 Jahren werden vor allem Präkanzerosen seltener, aber das eigentliche Ziel, Krebs zu verhindern, wird erst nach ca. 20 Jahren in ernsthaften Größenordnungen zu beobachten sein - bei entsprechenden Durchimpfungsraten um bis zu 70%.

Das Angebot zur Krebsfrüherkennung in Deutschland ist absolute Spitze in Europa, üblich sind ansonsten Vorsorgeuntersuchungen im Abstand von 3 bis 5 Jahren. Trotz dieses Angebots hat Deutschland innerhalb Westeuropas mit die höchste Letalität durch das Zervixkarzinom - es gibt nämlich kein national umgesetztes Programm, sondern nur "opportunistisches Screening". Die jährliche Teilnehmerrate liegt in Deutschland - stark altersabhängig zwischen knapp 10% und gut 65%. Sehen wir es realistisch: Wir brauchen dringend ein effizientes PAP-Screening - und die HPV-Impfung. Gleichzeitig eignet sich die HPV-Impfung gut, um Impfungen im Jugendalter insgesamt zu fördern. (HTR, HJS)

Häufige Fragen

  1. Kann man Männer gegen HPV impfen?
    Ja – aber wie auch die Fachinformation von Gardasil® hervorhebt - ist die protektive Wirksamkeit des Impfstoffes bei Männern bisher nicht untersucht worden. Bis zu einer solchen Vorgehensweise sollte das Ergebnis der noch laufenden Effektivitätsstudien abgewartet werden.
  2. Ist es sinnvoll, vor einer Impfung einen HPV-Nachweis (Erreger-DNA; Serologie) durchzuführen?
    Nein, denn man verursacht einerseits relevante Kosten und andererseits kann man mit den kommerziell verfügbaren Tests bei negativem Testergebnis (kein Nachweis von Erreger-DNA; kein Nachweis spezifischer Antikörper) nicht darauf zurückschließen, dass die Patientin nicht infiziert ist. Ein positives Testergebnis versetzt die Patientin möglicherweise in Angst und Schrecken, obwohl die Infektion meist wieder verschwindet (siehe Tabelle 1) und obwohl die Impfung bei Nachweis eines Hoch-Risiko-HPV-Types möglicherweise vor Infektion mit einem anderen HPV-Typ schützen kann.
  3. Ist eine HPV-Impfung von Frauen, die älter als 26 Jahre sind, durch die Zulassung gedeckt?
    Ja, die Fachinformation beschreibt lediglich die Studienlage, nicht die obere Altersgrenze für den möglichen Nutzen der HPV-Impfung. Es ist biologisch wenig plausibel, anzunehmen, dass die Wirksamkeit der Impfung bei einer HPV16/18-naiven Frau im Alter von 27 Jahren nicht mehr gegeben ist. Aber: Es wird nur wenige HPV-16/18 naiven Frauen in diese Altersgruppe geben. Die Wirksamkeit der Impfung bei bestehender Infektion ist derzeit unzureichend gesichert. Deshalb empfiehlt die STIKO die Impfung ja auch in einem relativ engen Altersrahmen. Sollte es nun tatsächlich die eine oder andere Frau geben, die erst mit > 26 Jahre die vita sexualis beginnt, kann die HPV-Impfung eine Einzelfallentscheidung sein. Viel sinnvoller ist es aber, die betreffenden Frauen auf die gesicherte Wirksamkeit der Früherkennunguntersuchungen zu verweisen (PAP Screening!).
  4. Werden die Impfkosten von den Krankenkassen übernommen?
    Noch bis Ende Juni 2007 sind alle Impfleistungen freiwillige Leistungen der Krankenkassen. Nach dem gerade verabschiedeten Wettbewerb-Struktur-Gesetz soll der „Gemeinsame Bundesausschuss“ (G-BA) ab 1.7.2007 alle bisher gültigen STIKO-Empfehlungen übernehmen. Diese werden dann zu Pflichtleistungen der Krankenkassen. Ob und wie der G-BA die Empfehlung der STIKO - alle Frauen nach „individueller Nutzen-Risiko-Abwägung“ gegen HPV zu impfen – umsetzen wird, ist derzeit offen. Ganz klar: Würden in Deutschland alle Frauen zwischen 18 und 60 Jahren gegen HPV geimpft, müssten die Beiträge zu den Krankenlassen steigen, und viele Frauen würden geimpft werden, ohne dass es ihnen nutzt. Es sind bisher einfach zu wenige Daten vorhanden, um die „Impfentscheidung“ für Frauen ab 26 Jahren wissenschaftlich gut zu begründen. Der „Blick unter die Bettdecke“ ist sicher auch keine Lösung des Problems und schließlich ist Sex eine absolut private Angelegenheit.

Literatur

STIKO: Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen zwischen 12 bis 17 Jahren – Empfehlung und Begründung. Epidemiologisches Bulletin 2007;1297-103

ACIP / Markowitz L et al.: Quadrivalent human papillomavirus vaccine. MMWR 2007;56-RR2

Häufig verwendete Abkürzungen

  • CIN cervical intraepithelial neoplasia
  • VIN vulvar intraepithelial neoplasia
  • VaIN vaginal intraepithelial neoplasia
  • AIS adenocarcinoma in situ

Letzte Änderung: 2008-12-04 08:43:00